Wie ich zum Auswanderer wurde? Das ist eine gute Frage. Dazu müsstet ihr mich kennen. Besser, ich nehme euch mit an den Anfang. Als Kind einer alleinerziehenden Mutter, die schon in jungen Jahren ihr Augenlicht verlor, lernte ich früh Verantwortung zu übernehmen und meinen Mann zu stehen. Einkaufen, Wäsche sortieren und andere Dinge im Haushalt erledigen, waren für mich selbstverständlich. Ich genoss viele Freiheiten, von denen meine Freunde nur träumen konnten. Es gab keine festgelegten Uhrzeiten, zu denen ich zu Hause sein musste. Aber es gab auch keine Gnade am nächsten Tag. Also übertrieb man es nicht und stand stets zur rechten Zeit auf, um pünktlich zur Schule und später dann zur Ausbildung zu kommen.
Es war für mich klar, dass ich nach der mittleren Reife eine Ausbildung machen wollte. Endlich Geld verdienen, Führerschein machen, ein Auto kaufen. Auf eigenen Beinen stehen. Leider entpuppt sich dieser Besitz als Last und nicht als Bereicherung. Als Auswanderer mit beschränken Mitteln gilt es „schlank“ zu werden.
Selbstverständlich wählte ich meine Ausbildung nach Verdienst aus. Wer in meinem Alter ist, kennt noch die klare Einteilung des Schulsystems. Hauptschüler wurden Handwerker, Frisör*innen, Arzthelfer*innen und fertig. Bei mittlerer Reife in der Regel etwas vom vorgenannten oder Kaufmann/-frau. Mit Abi ging man studieren und wurde Arzt oder Maschinenbauer. So einfach war das früher. Keine Selbstfindungstrips bis Mitte 30 oder länger. Das machten nur ein paar „weltfremde Spinner“. Folglich zogen die wenigsten aus ihrer Heimatstadt fort. Der Lebensweg war klar vorgezeichnet. Nur nicht anders sein. Ausbildung und Wehrdienst/Zivildienst brachte ich mit Anstand hinter mich. Wobei ich schon beim Zivildienst merkte, dass mir auch etwas anderes als Bergmechaniker Spaß machen würde.
Bergmann mit Leib und Seele
Ich muss zugeben, dass ich in meinem Herzen immer Bergmann geblieben bin. Die Kumpel untereinander hatten einen ganz eigenen Umgang. Die verklärte Kameradschaft war Fakt. Natürlich gab es die einen oder anderen Lauschöpper (Neudeutsch: Low-Performer). Doch die Drittel (bergmännisch für Team) waren immer ein verlässlicher Haufen (High-Performer). Ging halt nicht anders. Natürlich waren die Späße derbe und wir lachten viel. Keiner kam auf den Gedanken, jemanden anzuschwärzen oder zu verklagen. Irgendwann war man halt mal Ziel eines solch derben Spaßes. Man ertrug es oder man ging und suchte sich einen anderen Job. Für Petzen war kein Platz. Man regelte Dinge untereinander, man löste Probleme miteinander, ohne zu fragen wie das gehen soll. Man tat es einfach. Seufz, gute alte Zeit.
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Neuer Beruf – Bild-Text-Integrationsfachmann – Neudeutsch: Mediengestalter Fachrichtung Print
Mit der Zeit wurde mir klar: Der Bergbau hat keine Zukunft. Es war offensichtlich, dass die Politik alles tat, um diesen Wirtschaftszweig mit aller Gewalt abzuwürgen. Mit vielen Maßnahmen und Förderungen wurde einem die Abkehr aus dem Bergbau versüßt. Ein Mann, ein Wort. Mein Hobby sollte zum Beruf werden. Irgendwas mit Computer. Eine gute Freundin hatte bereits eine erfolgreiche Umschulungsmaßnahme beendet. Sie war Diplom Bild-Text-Integrations-Fachfrau. Wow! Das will ich auch werden. Und was man da verdienen kann. Verrückt. Naja, wie ihr euch vorstellen könnt, war es auch damals schon so, dass der Himmel nicht nur voller Geigen hängt. Verdienst eher mau, Aussicht auf Anstellung auch eher schlecht. Viel zu modern.
Der Auswanderer – Von der Kohle zum Feuer
Zufällig suchte ein Kaminbauer in unserer Nachbarstadt einen DTP (DeskTopPublisher). Was für ein Glück. Flugs eine Bewerbung geschrieben und zack, hatte ich den Job. Das war vor über 26 Jahren. Mein Fazit: „Woanders ist halt auch scheiße“. So ziemlich jeder Job verliert nach so langer Zeit seine Reize. Durch die lange Erfahrung, kann jedes Problem ohne große Gehirnakrobatik gelöst werden, Überraschungen sind eher selten. Doch wenn es keine Möglichkeit mehr gibt, zu wachsen, sei es finanziell oder auch intellektuell, dann sollte man weiterziehen. Leider ist das Gehirn eine Bitch und gaukelt einem immer vor, dass alles gut ist, wie es ist.
Stell dich nicht so an. Anderen geht es viel schlechter. Es ist, wie mit Gummistiefeln im Morast zu stecken. Wenn man beide Stiefel verloren hat und endlich dem Schlamm entkommen kann, dann freut man sich und trauert nicht den Stiefeln hinterher. Als Auswanderer, der halbwegs vorbereitet in so ein Projekt geht, wächst man stetig mit seinen Aufgaben. Je größer die Probleme werden, umso kleiner scheinen die vorhergehenden zu sein.
Ein Mann, ein Wort – Jetzt wird ausgewandert
Erschreckender Weise führte der vor 10 Jahren gefasste Entschluss, mein bequemes Leben in Deutschland an den Nagel zu hängen, dazu, dass ich hoch motiviert noch möglichst viele Dinge auf den Weg bringen wollte. Im Job wie auch privat. Umso frustrierender ist die Erkenntnis, vieles nicht ändern zu können. Veränderungen müssen, gewollt sein. Wer immer innerhalb selbstaufgebauter „das machen wir schon immer so“-Grenzen bleibt, wird nie entdecken, wie es dahinter aussieht. Die Antwort ist nicht „Der Erfolg gibt mir recht“, die Frage muss lauten: „Wie kann ich mehr Erfolg haben?“. Das muss nicht unbedingt ein monetärer Erfolg oder Gewinn sein.
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Erfolg ist nicht immer an Geld geknüpft
Auch Nachhaltigkeit oder eine Änderung des Mindsets ist ein Erfolg. Vielleicht sogar ein viel befriedigenderer und erstrebenswerterer als Geld. Eine späte, aber für mich tiefgreifende Erkenntnis. Man muss nur mal die Nase von der Mauer nehmen und einen Schritt zurückgehen. Dann entdeckt man das Tor, um sein eingefahrenes, manchmal auch auf gute Weise, langweiliges Leben zu verlassen. Wenn die Arbeit immer mehr zur Last wird und Fähigkeiten und Kenntnisse einschränkt, muss man gehen. Und das habe ich jetzt getan.
10 Jahre Vorbereitung und das Ziel ist zum Greifen nah
Nach so langer Vorbereitungszeit endlich seinem Ziel der Auswanderung nahe zu sein, ist schon ein Erfolg. Es gibt kein einschnürendes Korsett in Form von 9to5–Jobs mehr. Endlich selbstbestimmt den Tag vertrödeln. Doch wie immer vor dem Start von etwas Neuem, verdichten sich viele Ereignisse. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass man jedes Problem gelöst bekommt. Manchmal leichter, als man denkt. Es ist wie eine Befreiung der Kreativität. Verrückte Ideen geistern durch mein Gehirn. Es gilt vernünftig zu bleiben und erstmal das Projekt „Auswandern nach Lanzarote“ zu beenden. Und das steigt in seiner Komplexität und Anforderung mit jedem Tag. Aber ich bin guter Dinge und halte mich an die KISS-Regel. „Keep it simple and stupid”. Als Auswanderer sollte man eher auf einen Marathon als auf einen Sprint vorbereitet sein.
Der Auswanderer und seine Bucket-Liste:
- Gesund bleiben
- Zeit mit Susanne verbringen
- Mehr Spaziergänge mit dem Hund
- Mehr Sport machen
- Kochen lernen
- Video filmen
- Umziehen
- Wohnung renovieren
- Sprache lernen
- Surfen lernen
- Kiten lernen
- Windsurfen lernen
- Laufen gehen
- Biken
- Mehr lesen
- Mehr, mehr, mehr
Ich habe keine Angst, dass mir ohne Arbeit langweilig werden könnte. Dazu gibt es zu viel zu lernen und zu entdecken. Als Auswanderer gilt es, eine ganze Insel neu zu entdecken. Tausende von Menschen warten, eine Sprache, Gebräuche und Traditionen. Es ist wie ein neues Leben. Eine Chance, für die ich mehr als dankbar bin.
Mehr über unsere Idee erfahrt ihr hier: Warum wir auswandern wollen!
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